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Paroles: Reinhard Mey. 3. Oktober '91.

Ein ungewohnter Hauch von Feiertag liegt auf der Stadt.
Kein Stau, kein Lärm, die Schienen der Strassenbahn glaenzen matt
n der Vormittagssonne. Noch ein Spaetsommeridyll!
Die Laeden sind geschlossen, all die Fahnen haengen still.
Seit vierundzwanzig Jahr'n ist Mehmet in der Giesserei.
Seit vierundzwanzig Jahr'n kommt er hier jeden Tag vorbei.
Heut hat er keine Eile. Er kann im Voruebergehn im
TV-Shop im Schaufenster die Feierstunde sehn:
Dreiduzendfach der Praesident von einer Monitorwand,
Und es geht um Recht und Freiheit - fuer jeden in diesem Land.
Mehr als die Haelfte seines Lebens arbeitet er hier.
Zwei Toechter und ein Sohn sind aufgewachsen im Revier.
Seine Kollegen moegen ihn, still und gewissenhaft,
Drei Zimmer und ein Ford Escort, ja, Mehmet hat'ls geschafft,
Mit Ueberstunden auch mal ein Besuch in der Tuerkei.
Ein Angetrunk'ner streift ihn, eine kleine Rempelei,
Und lallend dreht der Mann sich um, bierduenstend und verschwitzt,

Und Mehmet sieht die Klinge nicht, die hinter ihm aufblitzt,
Und grundlos, wie von Sinnen, sticht der Fremde auf ihn ein,
Und das Fernsehbild wird dunkelrot und er faellt wie ein Stein.
Und die Leute auf der Strasse? Alle haben sie's gesehn,
All die unbescholt'nen Muerger, die im Halbkreis um ihn stehn.
Keiner hat ihn beigestanden, keinem kommt es in den Sinn,
Ihm zu helfen, ihm zt troesten, keiner kniet sich zu ihm hin.
Und im Fernsehn dingen sie die Strophe von der Einigkeit.
Und der Notarztwagen kommt nach einer halbe Ewigkeit.
Und sie reinigen das Pflaster, dort, wo er noch eben lag.
Und eigentlich war heut fuer alle doch ein guter Tag -
Doch seit den Vier-Uhr-Nachrichten ist der Tag nicht mehr gut,
Da sind noch nur Schmerz und Trauer, und mir ist zum Heul'n
zumut'.